Brief an Gustav Falke, 3.9.1903, Berlin-Charlottenburg / Seite 1

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Hochgeehrter Herr!
Unter höflicher Bezugnahme auf mein Ihnen vor einigen Ta-
gen Zugegangenes, vom Goethe-Tag datiertes Rundschreiben, betr.
die von mir beabsichtigte neue Gedichtsammlung “Deutsche Dichtung der Neu-
zeit
” gestatte ich mir Ihnen mitzuteilen, dass bereits seitens einer er-
heblichen Anzahl namhafter Dichter, die dem “Lyrischen Kartell” nicht
angehören, überaus wertvolle Beiträge für die (beabsichtigte neue) Gedicht-
sammlung eingelaufen sind. Herr von Liliencron schreibt mir: “Ich muss
mich erst mit meinen Kartellkameraden verständigen.” Da Sie ja mit an
der Spitze des Kartells stehen, bitte ich Sie gütigst veranlassen zu
wollen, dass seitens des Kartellkomitees die Beteiligung an der “Deut-
schen Dichtung der Neuzeit
” den Kartellmitgliedern allgemein freigege-
ben wird, sodass besondere Anträge der einzelnen Mitglieder sich er-
übrigen. Die Herausgabe der “Deutschen Dichtung der Neuzeit” ohne
Beiträge der Kartellmitglieder würde bedeuten, dass den Lesern ein
ausserordentlich lückenhaftes, also unrichtiges Bild der zeitgenössi-
schen deutschen Lyrik dargeboten wird. Die Erfüllung der in den Kar-
tellsatzungen aufgestellten Bedingungen würde aber den geplanten uner-
hört niedrigen Preis des Buches und damit die Massenverbreitung un-
möglich machen, die doch im Interesse unserer Volksbildung und unserer
Litteratur liegt. Auch biete ich den mitwirkenden Dichtern eine nicht
zu unterstützende Gegenleistung in dem Hinweis auf ihre Hauptwerke,
den ich vermöge der aussergewöhnlichen Billigkeit der Sammlung in so

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