Brief an Richard Dehmel, 31.5.1898, Ort unbekannt / Seite 3

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in denen die Erscheinungen der Welt dunkel
& schwer auf der Individualität lasten. Es
ist die einzige Form des ringenden Geistes.
[Soeben steche ich einen Krug Bier an, um die
etwas schulmeisterliche Materie anzufeuchten — Prost!]
Ich möchte aber gleich bemerken, daß das Ringen des
Geistes nur beachtenswert scheint, wen̄ es große
Perspektiven eröffnet & grandios wird.
[Jetzt zünde ich eine Cigarette an.].
Aus diesem Grunde sind auch so viele meiner
Gedichte im „Glühenden‟ in solchen Formen gehalten. Irgend-
wie gewollt ist diese Form absolut nicht. Ich habe
die meisten dieser Gedichte in ½ Minute-1 Minute
vollkom̄en so fertig niedergeschrieben in gleichsam
animalischer-bestialischer Ergriffenheit. Kunst ist nicht
viel dabei. Es sind noch zuckende Nerven-
stränge. Darum kann auch an derartigen Produkten
nichts nachträglich verbessert werden. Sobald aber der
Geist sich selbst findend seine Macht über das Weltall
erkennt & seiner selbst gewiß wird, stellt sich auch
sofort eine regelmäßige Form & damit zugleich
Reim ein. Und die Melodie. Und Harmo

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